Ich habe mich immer gefragt, wie sieht es aus hinter den Kulissen bei denen, die Nähen nicht nur als Hobby haben, sondern es beruflich ausüben.

Komm mit auf eine Reise durch die Ateliers und Werkstätten und mach mit mir einen tiefen Einblick hinter die Kulissen.

Ich habe viele Termine gemacht, nette Gespräche geführt, tolle Leute kennengelernt und dieses Mal auch selber wieder was gelernt.

Heute im Interview Ylvie Thannisch, die sich aufgemacht hat, die CE-Normen zu erfüllen. Was das ist, wofür man das braucht und was einem das als Kunde bringt – im Interview.

Hallo Ylvie, herzlich willkommen in meinem virtuellen Frageraum… Erzähl uns ein bisschen was über dich. Wer bist du, was machst du?

Hallo Sabine. Mein Name ist Ylvie Thannisch, 40 Jahre alt, Mutter von drei Kindern. Ich mache mit meinen Label Kuschel und Kram verschiedene Spielzeuge aus Textil: Steckenpferde, Puppen nach Waldorfart, kleine Kuscheltierchen, wie z.B. quietschende Fledermäuse. Daneben auch noch allerlei “Kram” – nomen est omen – wie Portemonnaies und Mobiles.

Wie bist du dazu gekommen? Hast du irgendwas in der Richtung gelernt? Wie war dein Weg zu Kuschel und Kram?

Jein. Ich habe schon als Jugendliche selbstgenähte Stofftiere im Bekanntenkreis verkauft, später habe ich Textilgestaltung als Grundschulfach studiert, leider nicht zu Ende. Aber die Affinität war immer da. Tatsächlich gelernt habe ich Buchhändlerin, aber aus dem Job bin ich schon seit Jahren raus. Der Weg zu Kuschel und Kram ging über die Steckenpferde. Im Handel habe ich keine gefunden, die mir “pferdig”, also naturnah genug waren: meist aus Fernost, mit bunter Mähne und Soundmodul im Ohr. Für meinen Sohn habe ich mein erstes Steckenpferd aus einem alten Hosenbein genäht, in Mini-Größe, da er erst zwei Jahre alt und alle im Laden erhältlichen Pferde viel zu groß für ihn waren.

Wie ging es weiter? Von einem Steckenpferd für das eigene Kind hin zu einem florierenden Handel mit Kuscheltieren ist ja schon ein ganz schön großer Sprung…

Ja, das stimmt. 🙂 Ich habe erst ganz arglos und wenig informiert angefangen, mit Mantelstoffen aus dem Stoffladen. Über Weiterempfehlungen in der Kita und Freundeskreis kamen die Pferde ziemlich gut an, aber schon nach kurzem wurde ich angesprochen, ob ich auch an das CE-Kennzeichen gedacht hätte. Da bin ich erst mal aus allen Wolken gefallen, denn davon hatte ich noch nie gehört! Meine Produktion habe ich sofort gestoppt und mich informiert. Das Thema ist ja sehr umfangreich und anfangs nicht leicht zu durchdringen. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis mein erstes Produkt verkaufsbereit war. Der Verein “Wir machen Spielzeug e.V.” hat mir sehr geholfen durch den Vorschriftendschungel zu klettern. Da ich dann den ganzen Mühe hinter mir hatte, bin ich sozusagen “in die Vollen gegangen”, damit sich der Aufwand lohnt.

CE-Kennzeichnung – was muss man sich darunter vorstellen? Ist das einfach ein Schildchen, was man dran hängen muss? Du sprichst von Mühe…

Es bedeutet, dass man sich bei der Herstellung an die Europäische Spielzeugnorm gehalten hat. Darin ist beschrieben, welche Schadstoffgrenze eingehalten werden müssen, wie viel Zugkraft z.B. ein Ohr oder Auge aushalten muss und ob das Spielzeug nicht bei Feuerkontakt in Flammen aufgeht. Die Spielzeugnorm ist ein mehrere hundert Seiten starker Wälzer, und auch wenn nicht alles auf alle Produkte angewendet werde muss, hat man erst mal sehr viel Lesestoff! Dazu muss man seine Produktion genauestens dokumentieren und für jedes Produkt eine eigene Aktenlage mit Zertifikaten und zuordenbaren Rechnungen pflegen. Das ist ziemlich aufwändig und macht es gerade Kleinherstellern nicht leicht, ist aber unabdingbar, da man ja sicheres Spielzeug herstellen will und muss.

Und das hast du dir alles selbst erarbeitet? Wahnsinn… Ziemlich viel Aufwand für so ein Kuscheltierchen… Zugtest, Feuerkontakt… klingt ziemlich rabiat. Musst du da echt deine Kuscheltiere – ich nenne es jetzt mal mutwillig – zerstören für so einen Test?

Ganz genau. Eins muss für die Sicherheit leiden. Auf meiner Facebookseite kann man Bilder finden, wie das Spielzeug während und vor allem nach dem Test aussieht. Da wird erst mit Zugwaage genau das Testgewicht gezogen, um sicherzugehen, dass sich Arme, Beine, Ohren nicht lösen, und zum Schluss wird gezündelt. Die Ausbreitung der Flammen darf nur maximal im vorgeschriebenen Umfang erfolgen, damit der “Stichflammeneffekt” ausgeschlossen ist. Es gibt immer wieder Rückrufe, weil ein Kunstplüschtier binnen Sekunden zur Fackel wird!

Das klingt je echt heftig. Jetzt so im Rückblick: Hat sich der Aufwand gelohnt? Würdest du dir die Arbeit nochmal machen, wenn du wüsstest, was du jetzt weißt?

Man könnte sagen, nach dem ersten Mal ist es nicht mehr so schlimm. ;-)Wenn man das Prozedere einmal durch hat, muss man das Rad nicht jedes Mal neu erfinden und es wird einfacher und geht schneller. Viele kleingewerblichen Hersteller schrecken vor dem Aufwand zurück, aber ich denke, dass sich die Arbeit lohnt und man dann mit einigem Stolz “sein” sicheres Spielzeug verkaufen kann. Da man als Kleinhersteller ja aus Kostengründen keine Labortests der Stoffe machen kann, landet man bei der Materialsuche fast immer bei Bio-Stoffen und Bio-Plüschen. Damit spricht man dann eine Verbrauchergruppe an, die bewusst hochwertiges Spielzeug sucht und kauft, die das Handwerk zu schätzen wissen und die Preise akzeptieren. Mit den Importspielzeugen aus Asien kann ich preislich natürlich nicht mithalten.

Ich gebe es zu, ich habe auch aufgegeben. Ich habe mich eine Zeit lang auch sehr eingehend mit der Thematik CE beschäftigt, dann aber doch irgendwann für mich einen Schlussstrich gezogen und solche Artikel eben gar nicht erst ins Sortiment genommen. Du hast echt meinen vollen Respekt, dass du das durchgezogen hast. Mich hat die Richtlinie erst furchtbar geärgert. Irgendwann wurde mir aber klar: Es geht hier um die Sicherheit von Kindern! Das ist einfach das wichtigste und da ist der Aufwand gerechtfertigt.

Dankeschön! 😀 .Meine erste Reaktion war damals auch “na toll, den Kleinen wird es immer so schwer gemacht”. Inzwischen bin ich auf Facebook auf die Ratgeberseite gewechselt und höre genau dies oft. Ebenso “Ach, dann schreib ich „nur zur Deko“ dran” und andere Versuche, die Vorschriften zu umgehen. Sicher ist es nicht leicht, aber mal ganz abgesehen davon, dass keine Versicherung der Welt dafür haftet, was man wider besseres Wissen tut: Wer möchte denn mögliche Schäden bei einem Kind auf dem Gewissen haben? Kinder können eben nicht das Hinweisschild lesen. Es mit mit allem möglichen Fehlgebrauch zu rechnen, daher müssen alle Erstickungs-, Vergiftungs- und Strangulationsgefahren von vorneherein ausgeschlossen werden, um nichts anderes geht es dabei.

Wie arbeitest du? Wie läuft ein normaler Arbeitstag bei Kuschel und Kram?

Ich glaube nicht, dass es einen normalen Arbeitstag gibt. Jeder Tag ist wie ich: etwas chaotisch mit Lust auf Neues. Ich nähe üblicherweise “stoßweise”, also einen Tag nur Fledermäuse, wenn die zur Neige gehen, einen Tag nur Steckenpferde, an anderen Tagen bin ich nur im Internet und suche neue Ideen, oder ich probiere das dort Gefundene aus, z.B. Nadelfilzen bei Puppenköpfen. Das ist dann zwar schon ziemlich weit von “Waldorf” entfernt, bietet aber ganz tolle Gestaltungsmöglichkeiten. Die Recherche nach zertifzierten Materialien, die man verwenden darf, frisst viel Zeit, häufig muss man seinen Unterlagen regelrecht hinterherrennen.

Wie bzw. wo verkaufst du?

Das Meiste verkaufe ich auf Märkten hier im Umland. Zu Weihnachten macht die Künstler- und Kunsthandwerker-Gemeinschaft “Made in Falkensee” eine Art Pop-up-Store bei uns in der Stadt, genannt Galerie auf Zeit, die vier Wochen geöffnet hat. Mit Spielzeug habe ich natürlich ein Weihnachtsgeschäft und viele meiner Spielzeuge finden dann einen neuen Besitzer.

Da bist du ja gut aufgestellt. Ich denke, mittlerweile spricht es sich auch herum, dass du Qualität lieferst. Getreu meinem Motto: Qualität setzt sich durch.

Qualität ist mir extrem wichtig, ich würde nie ein Spielzeug abgeben, wo ein “ach, wird schon keiner merken” dabei ist, da bin ich ganz akribisch.

Was magst du an deinem Beruf? Oder andersrum: was gefällt dir weniger oder vielleicht gar nicht?

An meinen Beruf gefällt mir vor allem, dass ich immer wieder etwas neues ausprobieren kann. Möglicherweise hätte ich in der Schar der Kinderkleidernäher schnelleren Erfolg gehabt, aber stapelweise identische Sachen zu nähen, liegt mir irgendwie nicht im Blut. So kann ich immer wieder etwas neues erschaffen, jedes Puppenkind und jedes Pferd wird ein Unikat und hat eine Seele, das ist das Tolle an meiner Arbeit! Weniger gefallen mir die (seltenen) Diskussionen auf Märkten, wenn mit Discounterpreisen im Kopf versucht wird, über meine Preisgestaltung zu verhandeln. Gott sei Dank kommt das ganz selten vor und verdirbt mir auch nicht den Tag, denn ich habe eigentlich nur nette Kunden, die viel positives Feedback geben und für die ich gerne Zeit und Mühe investiere.

So muss das sein!
Wo arbeitest du? Hast du ein Atelier außerhalb oder arbeitest du – das andere Ende der Skala – am Küchentisch?

Ein Atelier habe ich noch nicht, mein Arbeitszimmer haben wir vom Wohnzimmer abgetrennt. Mein Traum für die Zukunft ist ein Kinderladen mit hochwertige Kleidung, Büchern und Spielzeugen; Dingen, die man nicht im Supermarkt kaufen kann. Es werden schon erste Pläne geschmiedet, aber die Umsetzung wird noch einige Zeit dauern.

Das klingt spannend! Behalte das auf jeden Fall im Auge!Meine letzte Frage… Sie entwickelt sich regelrecht zu Running Gag 😀 Wann hast du das letzte Mal gekocht und was?

Wir sind 5 Personen mit unterschiedlichen “Iiieh, was ist das denn”-Ausprägungen, was täglich auf den Tisch kommt, fällt daher nicht immer unter das Stichwort “Kochen”, sondern eher unter “zubereiten”, aber vorgestern hatten wir Schweinefilet-Geschnetzteltes mit Gemüse und Couscous, das ausnahmsweise allen geschmeckt hat und tatsächlich gekocht war 😉

Das kommt mir sehr bekannt vor. Meine Kinder waren glücklicherweise irgendwann über die Iiiiiiieh-Phase weg. Es besteht also berechtigte Hoffnung.

Ylvie, vielen Dank für das Gespräch! Viel Erfolg mit deinen Kuscheltieren und dem anderen Kram (heißt ja bei dir tatsächlich so…)

Danke und vielen Dank für das Interview, hat viel Spaß gemacht! Ich wünsche dir einen schönen Tag und nochmal vielen Dank!

Gerne! Dir auch!!