Ich habe mich immer gefragt, wie sieht es aus hinter den Kulissen bei denen, die Nähen nicht nur als Hobby haben, sondern es beruflich ausüben.
Komm mit auf eine Reise durch die Ateliers und Werkstätten und mach mit mir einen tiefen Einblick hinter die Kulissen…
Ich habe viele Termine gemacht, führe nette Gespräche, lerne tolle Leute kennen.
Heute das Interview mit Astrid Hein von simplisu. Sie steckt gerade mittendrin in der Probenähphase ihres Schnittmusters für ein Basicshirt.
Hallo Astrid! Ich freue mich, dass wir uns per Facebook über den Weg gelaufen sind.
Ich auch.
…und dass du dir Zeit nimmst für meine Fragen! Fangen wir mal ganz simpel an – zum warm werden… Wer bist du und was machst du?
Ich bin Astrid Hein, 38, verheiratet und drei Jungs und bin gelernte Modeschneiderin, Schnitt-und Fertigungsdirektrice und Schneidermeisterin. Neben Schnittservice, kleinen Änderungen und hin und wieder mal einem Brautkleid machen möchte ich in Zukunft eigene Kaufschnittmuster anbieten.
Wow… da hast du aber eine große Palette im Angebot! Eine Ausbildung mit Hand und Fuß, von vorne bis hinten. Das hätte ich ja auch gerne gemacht… Wie bist du ausgerechnet auf diesen Beruf gekommen? War das schon immer dein Traum oder ergab es sich irgendwie so eher nebenher?
Mit 5 hab ich mit dem Trittbrett der alten Nähmaschine meiner Oma gespielt. An Mamas Nähmaschine war ich immer heimlich, sie hat es gemerkt, wenn die natürlich mal wieder verstellt war. So richtig war das aber während der Oberstufenzeit. Ursprünglich wollte ich was studieren (Jura oder Psychologie), aber dann kam meine Hippie-Phase und ich wollte so richtig tolle Schlaghosen. Gab es zu der Zeit nicht so wie ich sie wollte, da hab ich gedacht: “Kann ich selber machen” Und schon war die erste Hose aufgetrennt und nachgenäht, im nächsten Schritt hab ich dann den Schnitt modifiziert. Dann hab ich erst mal nach Burda genäht, um zu lernen. Tja und dann hat´s mich gepackt und hab mich mit dem Abi in der Tasche für eine Ausbildung als Schneiderin beworben. Erst hab ich keine Stelle bekommen, also hab ich ein Jahrespraktikum bei einer Designerin gemacht, im nächsten Jahr konnte ich dann sogar zwischen drei Stellen wählen.
Und dann hast du einfach weiter gemacht?
Nach der Ausbildung direkt die Weiterbildung zur Schnittdirektrice. Dann hab ich das Gewerbe angemeldet und mit den Muttis im Kindergarten, die mich überredet haben, kamen auch die ersten Nähkurse dazu. Die machen auch sehr viel Spaß.
Wie lange dauert die Weiterbildung zur Schnittdirektrice?
Das ist so unterschiedlich. Meine hat 1 Jahr Vollzeit gedauert. Es gibt aber auch den Bekleidungstechniker, das ist ein mehrjähriges Studium. Ich meine, Müller und Sohn bietet sogar ein halbes Jahr an, da bin ich nicht sicher. Beim Meister haben manche einen 3-4Wochen Kurs gemacht und dann noch ein wenig Praxis während der Vorbereitungskurse. Da gibt es also einige Wege.
Aaah, ok! Du hast ein Gewerbe angemeldet – als was? Was hast du angeboten? Hast du vor Ort gearbeitet oder online? Oder beides?
Erst nur die Maßschneiderei. Zuletzt habe ich alles Mögliche reingeschrieben. Von Herstellung und Handel von Textilien, Maßschneiderei bis hin zu Schnittservice, Herstellung und Vertrieb von Schnitte, Nähkursen und einen Internetshop. Eine Unternehmensberaterin hat mir das empfohlen. Während der angestellten Jobs habe ich in den Firmen, als Selbständige von zuhause aus gearbeitet. Wegen der Kinder kann ich auch kaum noch ins Angestelltenverhältnis, weil die Firmen alle weiter weg sind.
Wie alt sind deine Jungs?
8, 5 1/2 und 21Monate
Dann sind sie ja noch richtig klein… Das ist bestimmt manchmal eine ziemliche Herausforderung. Als meine drei klein waren, ging es hier auch zum Teil echt rund. Wie managst du deine Arbeit? Ist dein Atelier bei dir im Haus oder hast du Räume außerhalb?
Tja, wir wohnen sehr unkonventionell. Wir haben praktisch einen großen Raum mit einer Ebene und zwei Zimmern, wo sich alles abspielt. Also ich habe eine Nähecke, der Zuschneidetisch steht auf der anderen Seite… Na, wir leben in meinem Atelier oder das Atelier findet Lücken in der Wohnung. Wie man es sieht. Ich hab da ein paar Ideen, mal sehen wie es wird. Und ja, drei sind eine Herausforderung und es ist recht chaotisch. Ich arbeite, wenn der Jüngste schläft oder eben abends.
Gab es mal den einen besonderen Auftrag? An den du immer noch gern denkst? Oder einen ganz schrecklichen, den du bereut hast angenommen zu haben?
Besonders war, als ich gefragt wurde die Gradierung für eine Lederkombi zu übernehmen. In der Nähe ist ein großer Lederbekleidungshersteller, deren Direktrice abgesprungen ist. Mein Glück: Sie hat mit Grafis gearbeitet und ich war die Nächste von der Entfernung her. Ich muss sagen, dass ich keine Ahnung von Lederverarbeitung habe und ich das nicht nähen könnte, aber das war eine Herausforderung, weil ich mit 200 Schnittteilen jongliert habe. Für ein Modell.
Ansonsten habe ich für Freundinnen und Familie Brautkleider gemacht. Ganz besondere Momente, wenn der Bräutigam die Braut zum ersten Mal sieht. Bereut habe ich noch nichts, Man wächst an allem.
200 Teile für ein Schnittmuster?? Wahnsinn!!!
Wenn nicht sogar mehr. Jacke plus Hose, Innenjacke und Innenhose, Wärmeweste. Da kam was zusammen.
Aber du hast es hingekriegt?
Natürlich haben sich Fehler eingeschlichen und es gab Probleme, weil die Teile im Ausland produziert wurden und die wieder anders verarbeitet haben, aber das bleibt nicht aus. Da muss man dann eben ruhig bleiben und es retten und den Schnitt entwickele ich gerade für die nächste Fertigung weiter.
Da bist du also immer noch dran… Also ein Industriemodell. Hab ich bei einem anderen Interview gelernt: Modelle, die all die fiesen kleinen Handarbeiten eben nicht haben. Warum werden eigentlich nicht mehr von solchen Schnitten für Hobbynäher verkauft?
Vielleicht ist die Nachfrage nicht da. Die meisten nähen doch Jersey. Schnelle Modelle für das schnelle Erfolgserlebnis.Was überhaupt nicht verwerflich ist. Den Sprung zum Nähen der eigenen Garderobe muss man wagen. Mein erster Kaufschnitt wird auch ein Basic-Shirt, aber das braucht man immer und es ist zu allem kombinierbar. Ich möchte in erster Linie Basisschnitte machen und dann später auch moderne Sachen. Egal ob Stretch oder Webware. Die Vision ist: Meine Kundin bestückt ihren eigenen Kleiderschrank. Bis auf Schuhe, das kann ich nicht. 😉 Bis dahin wird es noch dauern, aber das ist das Ziel.
Das klingt richtig gut!!! Ich finde es ganz furchtbar, dass immer alles in hundertfacher Ausfertigung auf den Markt geworfen wird. Alle machen Schnittmuster für Hoodie oder Cardigan oder Jumpsuit oder was auch immer gerade in ist. Dabei ist es doch gerade das Tolle am Nähen, dass man individuell sein kann, seinen eigenen Stil reinlegen kann. Muss man wirklich für jede Teilungsnaht einen neuen Schnitt kaufen? Da setzt du mit deinen Basisschnitten einen tollen Kontrapunkt. Gefällt mir sehr gut!
Wie so viele selbständige Mütter stehst du ja auch mitten zwischen Kind und Beruf, Wäsche und Werbung, Kochen und Kunden. Was fällt dir dabei am schwersten? Was magst du nicht an dieser Kombination?
Das man sich nicht immer gut auf eine Sache fokussieren kann. Aber im Grunde mache ich mir keinen Druck. Was geht, geht, was nicht, geht wann anders. Alles wird sich fügen. Sobald der Jüngste im Kindergarten ist, werde ich wieder besser planen können. Wichtig ist, dass man die Beziehung zum Partner nicht vergisst, die geht manchmal unter. Wir haben es aber auch so geregelt, dass mein Mann den Haupterwerb hat. Das allein geht gerade so. Immerhin ist es die Sicherheit. So kann ich selbständig sein, aber wir sind nicht zwingend davon abhängig. Aber ich plane schon, dass es mehr wird.
Same here…
Eine letzte Frage zum Schluss. Wir wollen ja hinter dir Kulissen schauen Was hast du als letztes gekocht?
Kartoffeln, Bratwurstschnecke für die Männer, Veggie Cordon bleu für mich und Spinat für alle.
Hmmmm, klingt lecker!! Vielen Dank für das Gespräch und den Einblick in deine Arbeit. Ich wünsche dir viel Erfolg und warte gespannt auf deine Schnitte für eine Basisgarderobe!
Danke Dir!
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