Ich habe mich immer gefragt, wie sieht es aus hinter den Kulissen bei denen, die Nähen nicht nur als Hobby haben, sondern es beruflich ausüben.
Komm mit auf eine Reise durch die Ateliers und Werkstätten und mach mit mir einen tiefen Einblick hinter die Kulissen…
Ich habe viele Termine gemacht, führe nette Gespräche, lerne tolle Leute kennen.
Heute im Interview: Katja Schauer von Stoffwechsel, die Nähwerkstatt.
Hallo Katja, schön dass du dir die Zeit genommen hast.
Sehr gerne! Ich bin gespannt was du alles von mir wissen willst.
Ganz banal zu Anfang: Wer bist du und was machst du?
Also…ich bin Katja ,42, verheiratet, 2 Kinder, lebe seit 10 Jahren im Duisburger Exil und ich bin Damenschneidermeisterin aus Leidenschaft! Aktuell habe ich eine Nähschule, in der ich Nähkurse und Workshops anbiete, ich produziere und verkaufe Ebooks und ich administriere diverse Näh- und Nähmaschinengruppen hier auf Facebook.
Exil? Warum Exil? Wo warst du vorher?
Ursprünglich komme ich aus Tecklenburg – aber meine Heimat ist Münster!!! Da habe ich über 10 Jahre gelebt, meine Ausbildung gemacht, meinen Mann kennengelernt und einfach eine sehr gute Zeit gehabt!
Und dann?
Und dann ist mein Mann beruflich nach Duisburg gewechselt. Die ersten 2 Jahre ist er noch täglich gependelt – zum einen, weil ich in Münster mit einem Maßatelier selbständig war, das ich nicht mal so eben schließen konnte und wollte. Und zum anderen hatten wir die Hoffnung, dass er über kurz oder lang wieder einen Job in Münster findet – denn wir wollten eigentlich beide auf gar keinen Fall von dort weg!?
Aber dann bin ich schwanger geworden, mein Laden musste also eh geschlossen werden und ich hatte keine Ausrede mehr…
Also Zelte abgebrochen und in Duisburg dann komplett neu angefangen…
Ja, so ungefähr… 10 Jahre und 5 Umzüge später sind wir jetzt auch irgendwie hier angekommen!
War die Nähschule in Duisburg von Anfang an geplant oder hat sich das irgendwie dann so ergeben?
Nein, eigentlich nicht. Als der Große aus dem Gröbsten raus war, habe ich wieder (in Münster hatte ich auch schon Kurse an einer Familienbildungsstätte gegeben) angefangen Nähkurse zu geben. Zunächst in einem Stoffgeschäft in Krefeld (das dann aber leider zugemacht hat), nach Kind No 2 an einer evangelischen Familienbildungsstätte. Irgendwann wurde mir das mit der Fahrerei aber zu viel und ich hätte gern noch zusätzliche Kurse übernommen, was aber nicht möglich war.
Das entwickelte sich also langsam, aber stetig.
Ja, ganz genau. Und weil es bei uns platztechnisch gerade passte, habe ich einfach gedacht, ich versuch´s mal alleine!?
Wie bist du zur Schneiderei gekommen? Du hast ganz klassisch eine Ausbildung zur Damenschneiderin gemacht und den Meister noch dazu. Warum Schneider? War das schon immer dein Traumberuf oder eher ein Zufall?
Nach dem Abitur wollte ich eigentlich Modedesign studieren und für die Bewerbung an der Uni brauchte ich ein Praktikum. Das hat mir so gut gefallen, dass ich entschieden habe erst mal die Ausbildung zu machen. Und dann bin ich im Handwerk hängen geblieben!? Es hat mich fasziniert, dass man wirklich von der Entwicklung des Modells zusammen mit der Kundin, über die handwerkliche Ausarbeitung bis hin zum fertigen Modell, dass man zum Schluss übergibt alles selbst in der Hand hat!
Aber das hört sich so rosarot an…das Handwerk ist ein ziemlich hartes Brot! Jobs sind rar, schlecht bezahlt und die Arbeitsbedingungen meist ziemlich übel… Man schlägt sich so durch!? Ich habe viele Praktika gemacht, um die nötige Gesellenzeit für den Meister zusammen zu bekommen und hatte nebenbei immer einen “richtigen” Job, um meine Miete bezahlen zu können.
Am meisten Spaß gemacht hat es mir schon immer, mein Wissen an andere weiterzugeben! Deswegen bin ich jetzt mit der Nähschule da angekommen, wo ich schon immer hin sollte (glaube ich ).
War ein weiter Weg dahin, aber ich glaube, jetzt bist du angekommen. Kann ich gut nachvollziehen. Ich hatte heute auch erst wieder einen Kurs. Es macht einfach Spaß, wissbegierige Leute dasitzen zu haben, denen man echt was vermitteln kann. Hast du deine Nähschule bei dir im Wohnhaus oder hast du da extra Räume angemietet?
Ja genau – zur Zeit mache ich das von Zuhause aus. Das ist einfach am praktischsten mit noch relativ kleinen Kindern – wenn die mal krank sind, muss ich nicht gleich alles absagen.
Ich liebe es auch, von zu Hause aus arbeiten zu können. Ist einfach sehr entspannt… Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei dir aus?
Nachdem ich den Rest Familie morgens rausgeschmissen habe, sitze ich erst mal eine halbe Stunde am PC, arbeite Mails ab und mache eine Runde durch meine Facebookgruppen Dann verschwinde ich in der Werkstatt: an einigen Vormittagen sind Nähkurse oder Workshops – wenn nicht, dann bastele ich an neuen Schnitten und/oder Ebooks und manchmal nähe ich auch einfach nur für mich oder die Kinder (fällt das dann auch unter “Arbeitstag”??? ).
Nachmittags ist Kinderbetreuung angesagt und an 1-3 Abenden pro Woche finden ebenfalls Nähkurse oder Workshops statt.
Ebooks ist ja derzeit ein Riesentrend. Ist das mal eben schnell zusammengestellt, wie manche immer noch denken? Was steckt da an Arbeit hinter? Wie lange dauert es von der ersten Idee bis zum Verkaufsstart?
In Arbeitsstunden kann ich dir das gar nicht sagen (hätte ich vielleicht mal aufschreiben sollen!? ) – aber das ist ein wochenlanger Prozess!!! Es kommt natürlich darauf an, wie komplex der jeweilige Schnitt ist, welche (professionellen?) Programme einem zur Verfügung stehen, wieviel man selber macht oder ob man vielleicht etwas “outsourced”…
Mein erstens richtiges Ebook – das “Easy-Peasy T” – habe ich von A bis Z selbst gemacht: den Schnitt per Hand erstellt, auf DIN A4 zerteilt, gradiert, eingescannt und mit einem Grafikprogramm nachbearbeitet (was mich etliche Nächte gekostet hat, da ich mich erst mal einfinden und rumprobieren musste). Dann war das Probenähteam dran und hat das Schnittmuster auf Herz und Nieren geprüft.
Mir war es besonders wichtig, eine ganz ausführliche Anleitung zu machen, so dass auch Anfänger in der Lage sind, das Shirt zu nähen. Die hat mich also nochmal etliche Stunden gekostet: Nähen und fotografieren und wieder an den PC und alles zusammenbasteln und erklären. Und zwischendurch natürlich immer mal wieder ausprobieren und verwerfen und wieder von vorn…
Ist also richtig viel Arbeit und nicht mal eben schnell verdientes Geld – wenn es Qualität sein soll. Und ich glaube als Schneidermeisterin mit Leib und Seele kann man gar nicht anders als sehr hohe Ansprüche auch diesbezüglich zu stellen…
Ja, alles in allem kann man das so sagen. Das “Easy-Peasy T” ist zwar schnitttechnisch nicht so anspruchsvoll, aber mein Fokus lag wie gesagt mehr auf der einfach verständlichen Anleitung. Für das aktuelle Ebook habe ich mir eine Schnittdirektrice ins Boot geholt, die den von mir erstellten Schnitt in die verschiedenen Größen gradiert. Ich bin sehr gespannt auf diese Zusammenarbeit! Mittelfristig möchte ich mich aber auf jeden Fall selbst mit diesem Thema beschäftigen und mich da weiterbilden! In meiner Ausbildung wurde leider nur das Erstellen von Maßschnitten per Hand vermittelt…
Da hat sich in den vergangenen Jahren ja eine Menge getan. Alles am PC erstellen – magst du das oder tust du dich mit der ganzen Technik schwer?
An sich mag ich das – aber ich merke, dass es mit zunehmendem Alter anstrengender wird 😉 Und man muss halt wirklich dran bleiben! Wenn man sich ein paar Wochen nicht mehr damit beschäftigt hat, ist man raus… Aus irgendeinem Grund hab ich aber enormen Respekt vor der Schnitterstellung mit Profiprogrammen am PC!?
Das kann ich mir lebhaft vorstellen! Es entwickelt sich ja alles rasend schnell. Man kommt kaum noch hinterher. Aber man will ja auch immer wieder neues lernen, sich weiterentwickeln. Du lässt deine Schnitte vor dem Erscheinen von anderen probenähen. Das ist ja derzeit heiß begehrt. Viele beklagen sich sogar, es ginge bei der Auswahl ja so ungerecht zu. Wie hast du deine Probenäher gefunden? Nach welchen Kriterien hast du ausgesucht?
Ich denke das sollte man immer von der Art des Schnittes abhängig machen. Mir ist es wichtig fortgeschrittene Näherinnen dabei zu haben, die die Passform des Schnittes gut beurteilen können aber auch Anfängerinnen, um Schwachstellen in der Anleitung herauszufinden. Außerdem sollten natürlich alle im Ebook enthaltenen Größen abgedeckt werden. Nicht so wichtig ist mir persönlich der “Promi-Status” – also ob meine Probenäherinnen schon bekannt sind in der Nähszene und einen Blog o.ä. betreiben.
Das ist eine gute Mischung. Da deckt man dann echt das meiste ab. Was war dein bisher schönster Auftrag? Welchen hast du besonders gern gemacht und warum?
Mittlerweile nähe ich ja nicht mehr für andere… Aber früher hat es am meisten Spaß gemacht, wenn man mit der Kundin wirklich auf einer Wellenlänge war – also gemeinsam Ideen gesammelt hat, Puzzlestücke zusammengesetzt hat und daraus dann das perfekte Kleidungsstück entstanden ist! Da waren einige tolle Sachen dabei – aber am allerliebsten habe ich für eine ganz besondere Kundin genäht, die ich über 20 Jahre eingekleidet habe und die später auch zu einer guten Freundin und zur Patentante für meinen Sohn geworden ist. Sie hatte einen ganz besonderen Stil und da wir uns so lange kannten haben wir und wirklich blind verstanden. Für sie habe ich vom Nachthemd bis zum Hochzeitskleid alles genäht! Leider ist sie im letzten Jahr verstorben…
Oh wie schade! Aber das ist bestimmt eine wunderbare Zusammenarbeit gewesen. Klingt richtig toll! Eine Frage noch zum Schluss. Wir wollen ja hinter die Kulissen gucken… Thema Haushalt: Was ist dein rotes Tuch, was machst du gerne?
Puh…das ist gerade wirklich ein rotes Tuch! Ich habe gerade erst wieder festgestellt, dass ich so, wie es momentan läuft einfach nicht alles “auf die Kette kriege” wie man so schön sagt Also müssen demnächst ein paar “Perlen” weichen (um mal bei diesem Bild zu bleiben)… Eigentlich habe ich keine Probleme mit Putzen, Wäsche waschen & Co (außer mit dem Kochen vielleicht, weil die Kinder immer was zu meckern haben ) – aber es ist einfach so zeitraubend und man könnte so viel schönere und sinnvollere Dinge tun!?
Das geht mir ganz genauso… Ist ja schön und gut und auch nötig… aber es kommt einem in dem Moment so… überflüssig vor. Schön, dass es nicht nur mir so geht.
Katja, ich danke dir für deine Zeit und den Einblick in deine Arbeit und wünsche dir viel Erfolg mit deiner Nähschule!
Sehr gerne, Sabine – ich danke dir!!!
P.S.: Nachdem das Easypeasy-Shirt für Kinder so gut ankam, arbeitet Katja derzeit an einer Version für Erwachsene. Ich bin gespannt! Wer keine Neuigkeit diesbezüglich verpassen will, ist in ihrer Facebookgruppe (leider nicht mehr online) genau richtig.
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